»Dass die Wörter mir wie ein Balsam sein sollen, mich fortführen von den Bildern dieser Nacht …« – Ein Abend zum Thema Gewalt gegen Frauen
In ihrem Romandebüt Protokoll einer Annäherung (Otto Müller Verlag) geht Anne Korth der Frage nach, ob ihre Protagonistin nach einer Gewalterfahrung wieder in eine Gegenwart zurückfinden kann, in der Liebe nicht länger ein Ort möglicher Bedrohung ist.
Barbara Peveling schreibt mit Gewalt im Haus (Edition Nautilus) einen aufrüttelnden Essay über die Zyklen der Gewalt, über Schweigen und Scham, Gegenwehr und Hoffnung. Beide Autorinnen finden in ihren Texten eine Sprache für häusliche Gewalt und was Gewalt für die Betroffenen bedeutet. Im Gespräch mit Simone Scharbert geht es um den Akt des Erzählens als Möglichkeit des Entkommens.
Ich schreibe an diesem Essay an einem dieser Tage, an denen mir nicht die Kraft fehlt, über das nachzudenken, was in all diesen Nächten geschah und was ich lieber als Irrtum, als Fehlleistung, als dummen Zufall, der nur einmal passiert, als Ausfall, aber nicht als System habe sehen wollen, als einen nicht enden wollenden Traum. Ich schreibe diesen Text aus den Tiefen dieser Tage, an denen die Angst mir nicht im Nacken sitzt und mich nicht gefügig macht wie eine unterwürfige Frau, wie eine von denen, die nur dafür geboren und erzogen worden sind, um einem Mann zu dienen, und ist sie nicht willig, so braucht er Gewalt. – Barbara Peveling
Alle drei Tage wird in Deutschland eine Frau von ihrem (Ex-)Partner getötet – doch das ist nur die Spitze des Eisbergs. Barbara Peveling schreibt auch über all die Formen häuslicher Gewalt, die darunter liegen, die eng verbunden sind mit traditionellen Geschlechterrollen, ökonomischer Ungleichheit und dem Haus als intimer Arena der Dominanz. Dabei spricht sie als Betroffene: Sie hat als Kind zwischen ihren Eltern und als Erwachsene in ihren Beziehungen Gewalt erlebt. Sie zeigt auf, dass die Strukturen der Dominanz allen schaden, auch Männern wie ihrem Vater, der als Täter die Gewalt letztlich gegen sich selbst richtete.
Dem autobiografischen Text von Barbara Peveling steht der Debütroman Protokoll einer Annährung von Anne Korth gegenüber, in dem das Thema der Gewalterfahrung ebenso eine Rolle spielt:
Marie verbringt die Semesterferien mit ihrer besten Freundin Sara am See, in Cafés oder in der Bibliothek. Dort trifft sie auf Robert, den sie über einige Tage hinweg beobachtet, bevor sie ihm ihre Handynummer in den Fahrradkorb legt. Robert meldet sich, doch über der sich entwickelnden Liebe liegt ein Schatten, der Marie durch die Straßen verfolgt, vorbeihuscht am See, von Baum zu Baum pirscht, kommt, um sie zu holen. Marie erzählt Robert von der vorangegangenen Beziehung zu K. und dem Übergriff. Wenn sie Robert küsst, kommt ihr K. in den Sinn. Und dann ist da noch jemand anwesend, anfangs geisterhaft, körperlos: ein Ich, das sich selbst als Erzählerin der Geschichte von Marie bekannt macht und den Verlauf der Liebesgeschichte des jungen Paares in protokollartigen Episoden schildert. Sie begleitet sie durch ihren Alltag, der zwischen spielerischer Leichtigkeit und destruktiver Unnahbarkeit schwankt, bis sie selbst ein Teil der Geschichte wird.