Jürgen Becker: Nachspielzeit. Sätze und Gedichte
Mit seinen neuen Gedichten, entstanden 2022/23, setzt Jürgen Becker ein Schreiben fort, das seine Motive vor allem im Wahrnehmen des Augenblicks, im Erleben des Alltags findet.
So offenkundig dieses Schreiben von der Gegenwart bestimmt wird, fortwährend mischt sich ein Früher ein, die Anwesenheit des Vergangenen. Die Sätze, die Gedichte, die dabei entstehen, erzählen zumeist von vertrauten Selbstverständlichkeiten, die doch allesamt ungewiss und vom Verschwinden bedroht sind. Mit Nadja Küchenmeister spricht Jürgen Becker über Nachspielzeit (Suhrkamp).
Sicher ist, die Windrichtung kannst du nicht ändern
und auch nicht die Farbe deiner Augen.
Das Fallen der Blätter hältst du nicht auf.
Du kannst ausmachen, aber der Nachrichtensprecher spricht weiter.
Kein Schmetterling kommt, wenn du nach ihm rufst.
Lebst du allein, sprichst du mit dir selber.
Das Weiterleben kannst du auf morgen verschieben,
aber Brot holen mußt du schon heute.
In unverwechselbarem Sound schreibt Jürgen Becker Selbstgespräche für Zuhörer*innen. Sie können Spuren finden, Zugänge in die eigene Biografie. Seine Kriegs- und Nachkriegskindheit korrespondiert mit den Erinnerungen seiner Generation, seine aktuelle Erfahrung mit den Wahrnehmungen der Zeitgenossen, die nicht mehr so jung sind. Jeder Tag schreibt mit, und er lässt seine Mitschrift nicht jeden Tag lesen. Das heißt auch, dass immer ein Schweigen mitspricht, wo Vergessenes keine Wörter findet, Verdrängtes nicht sprechen will. Immer aber hält Jürgen Becker an den Hoffnungen fest. Hoffen wir auf einen trockenen Sommer, auf Heu und Stroh, auf Gas in den Häfen und Kirschen für den Kirschpfannkuchen. Hoffen hat immer Saison …
»Eine blitzende Klarheit prägt dieses Buch. Die Gedichte sind aufgeräumt und schlank. Frei von allem Zierrat« (Martin Oehlen, Frankfurter Rundschau).
Veranstaltungspartner: LiK-Archiv der Stadtbibliothek Köln, Buchhandlung Klaus Bittner