Olga Grjasnowa: Juli, August, September
Eine ganz normale jüdische Familie – was ist das eigentlich? Um das herauszufinden, fliegt Lou von Berlin aus zum 90. Geburtstag ihrer Tante nach Gran Canaria und trifft dort ihren völlig zerstrittenen ex-sowjetischen Clan aus Israel. Eine Geschichte, so aktuell, zynisch und unterhaltsam, wie nur Olga Grjasnowa sie schreiben kann, über eine Frau, deren Identität sich aus lauter Splittern zusammensetzt.
Über Juli, August, September (Hanser Berlin) spricht Olga Grjasnowa im Literaturhaus mit Michaela Predeick.
Meine Familie kam mir vor wie ein schlecht übersetztes Buch: Zu meinen Verwandten hatte ich keine rechte Bindung und wusste nur grob darüber Bescheid, wer sie waren, was sie taten oder worüber sie sprachen. Sie hingegen schienen alles über mich zu wissen.
Lous zweiter Ehemann ist eine Trophäe – das muss selbst ihre Mutter anerkennen. Sergej ist Pianist und er ist jüdisch, genau wie Lou. Trotzdem war ihre Tochter Rosa noch nie in einer Synagoge. Doch wie jüdisch will Lou eigentlich sein und ihre kleine Tochter erziehen – als nachgeborene, nicht wirklich religiöse Jüdin im Land der Täter?
Antworten auf ihre Fragen nach Herkunft und Identität erhofft sich Lou auf Gran Canaria, wo sich ihre inzwischen weit verstreute ex-sowjetisch-jüdische Mischpoke zusammengefunden hat, verbunden nur noch durch wechselseitige Missgunst. Kann Lou hier Ordnung in ihre Familiengeschichte bringen? Und warum klingen die Geschichten ihrer Tante Maya, der letzten Zeitzeugin des Holocaust in der Familie, so anders als die ihrer Großmutter? Wie in so vielen jüdischen Familien stellt sich auch in Lous Familie die Frage, welche Katastrophe der Holocaust unter ihnen angerichtet hat – und welche traumatischen Spuren er bis heute hinterlässt.
Ähnlich hin und her gerissen wie in Der Russe ist einer, der Birken liebt (dtv) lässt Olga Grjasnowa ihre Heldin Lou auch in ihrem neuen Roman das Puzzle ihrer Herkunft zusammensetzen. »… ein bebender, drängender Roman über das Woher und Wohin im Leben, über verlorene Herkunftsspuren. Und wohl keine kann so zärtlich und kompromisslos und mit subtilem Witz über jene Heimat- und Wurzellosen schreiben wie Olga Grjasnowa« (DLF).