Philippe Sands: Über Pinochet in England und einen Nazi in Patagonien
Der Bestseller-Autor und Experte für Völkerrecht Philippe Sands erzählt in Die Verschwundenen von Londres 38 (S. Fischer) die atemberaubende Geschichte des einstigen SS-Offiziers Walter Rauff, der 1949 nach Chile flüchtete.
Dort steht er von 1973 an m Dienst der Militärdiktatur unter Augusto Pinochet. Im Keller des Hauses Londres 38 ist er an brutalen Verhören und Morden des Geheimdienstes beteiligt. Über das fesselnde Psychogramm zweier Männer und eine Doppelgeschichte über Massenmord und Folter spricht Philippe Sands mit Thomas Laue. Aus der Übersetzung von Thomas Bertram und Henning Dedekind liest Andreas Grötzinger.
Walther Rauff war als SS-Sturmbannführer ab 1941 für die Entwicklung der mobilen Gaswagen verantwortlich, die in der besetzten Sowjetunion für die Massenmorde an Juden und Sinti und Roma eingesetzt wurden. Er floh 1949 nach Chile, scheinbar weit entfernt von seiner Vergangenheit. Doch als Gerüchte über Walther Rauffs Verwicklung in Pinochets Geheimdienst und das Verschwinden von Menschen in Chile aufkommen, entfaltet sich eine erschreckende Geschichte.
1998 wird Pinochet in London verhaftet. Philippe Sands beteiligt sich an der Anklage gegen ihn und stößt dabei auf Walter Rauff. Acht Jahre lang recherchiert er über Rauffs zweites Leben, seine Verbindungen zu Pinochet und seine Rolle bei den Gräueltaten, die im Mittelpunkt des Londoner Verfahrens stehen.
Zugleich erzählt er von seiner Recherche über das Schicksal der Verschwundenen und seiner Suche nach Beweisen für Pinochets Verantwortung für Folter und Mord. Im März 2000 wird der frühere Diktator wegen seiner angegriffenen Gesundheit freigelassen. Er kehrt nach Chile zurück, wo er 2006 verstirbt.
Philippe Sands’ einzigartige Mischung aus Detektivgeschichte, Gerichtsdrama und Lebensgeschichten stützt sich auf Interviews mit wichtigen Akteuren und umfangreiche Recherchen in Archiven auf der ganzen Welt. Auf dieser Basis gelingt ihm das beeindruckende Psychogramm zweier Männer, eine Doppelgeschichte über Massenmord und Folter und über die Möglichkeiten und Grenzen des Rechts, die zwei brutale Diktaturen und mehrere Jahrzehnte überspannt. Und zugleich ein fesselnder Bericht aus erster Hand über ein internationales Strafverfahren von historischer Bedeutung.
Philippe Sands, geboren 1960, ist einer der international bekanntesten Menschrechtsanwälte. Er ist Professor für Internationales Recht und Direktor des Centre for International Courts and Tribunals am University College London. Leidenschaftlich setzt er sich für humanitäre Ziele und das Völkerrecht ein. Von ihm erschienen bei S. Fischer bisher: Rückkehr nach Lemberg, »Die Rattenlinie – ein Nazi auf der Flucht und Die letzte Kolonie. Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Indischen Ozean.
Die Veranstaltung findet auf Deutsch und Englisch statt.
Mit freundlicher Unterstützung der Kölner Juristischen Gesellschaft
