Schriftstellen von Barbara Köhler
Ein Abend über die Lyrikerin und Essayistin Barbara Köhler, deren posthum erschienener Band Schriftstellen (Suhrkamp) erstmals Poetisches aus Haupt- und Nebenwerken versammelt.
Früh begann sie, durch und über die Sprache Machtverhältnisse aufzulösen, das Feststehende aufzukündigen, die Bedeutungen aufzubrechen. Marie Luise Knott und Monika Rinck erinnern im Literaturhaus an Barbara Köhlers Poetik der Sprachbefragung und Spracherweiterung.
Was also macht diese Schriftstellerin? – Sie stellt Schrift, stellt sie her, stellt damit Hier her: eine Gegenwart. Das könnte man, wo es glückt, poiesis nennen. Sie stellt keine Thesen auf, vielleicht ja ein paar Behauptungen, sie stellt auch kaum Fragen, nicht einmal Fallen: sie stellt Schrift, aber möglichst nicht fest; sie stellt sie in Verhältnisse, reale und areale, und sieht zu, dass sie, dass es sich bewegt, Sie bewegt. Was steht da? Wörtlich, wirklich?
(Auszug aus der Antrittsvorlesung zur Thomas-Kling-Poetikdozentur, 2012)
Mit dem Schreiben begann die 1959 in Sachsen geborene Barbara Köhler erst Anfang der 1980er-Jahre. »Und das mit Wucht«, wie Marie Luise Knott in ihrem Nachwort zu Schriftstellen schreibt. Schreiben sei für Barbara Köhler der Versuch gewesen, der allgemeinen Stagnation Bewegung abzugewinnen. Als junge Schriftstellerin in der DDR erkannte sie früh den Zusammenhang zwischen Sprache und Macht und widersetzte sich gegen die bestehenden Herrschaftsverhältnisse, indem sie begann, Wörter und ihre Bedeutungen anders zu denken, ein subversives Spiel mit der Sprache zu betreiben, mit Konventionen zu brechen. Nach ersten Publikationen in verschiedenen Kunstzeitschriften nahm sie 1985 ein Studium am Literaturinstitut Johannes R. Becher in Leipzig auf und veröffentlichte nach ihrem Abschluss und der Wiedervereinigung ihren ersten Gedichtband Deutsches Roulette. Fünf Jahre nach dem Mauerfall zog sie nach Duisburg, wo sie sich neben ihren Gedichten und Essays, Übersetzungen und Reden intensiver mit den bildenden und visuellen Künsten auseinandersetzte. In ihren letzten Jahren war Barbara Köhler als Professorin für Literarisches Schreiben an der Kunsthochschule für Medien in Köln tätig, bevor sie 2021 starb, im Alter von nur 61 Jahren.
Mit diesem Abend ehren die Journalistin Marie Luise Knott als Herausgeberin des neu erschienenen Bandes Schriftstellen und die Schriftstellerin Monika Rinck Barbara Köhlers einmalige Stimme, die nicht nur weibliche Perspektiven in der DDR sichtbar gemacht hat, sondern sich auch nach der Wiedervereinigung mit immer neuen Formen und Klängen Gehör verschaffte und dabei beständig auf »das Vielsagende [setzte]« (Nachwort von Marie Luise Knott in Schriftstellen, S. 232).
Diese Veranstaltung wird auch als Livestream übertragen. Den Link dafür finden Sie hier.