Clemens Meyer und Angela Drescher über Christa Wolf und Brigitte Reimann

»Wie sind wir so geworden, wie wir heute sind?«, fragt Christa Wolf in ihrem Roman Kindheitsmuster (1976). Clemens Meyer nimmt in seiner Zwiesprache mit Christa Wolf (Bücher meines Lebens, Kiepenheuer & Witsch) das Motto auf und spürt mit großer Leidenschaft der Kraft und Zerrissenheit der Literatur aus der DDR nach.

Unter einer Treppe finden Bauarbeiter 2022 das Originalmanuskript von Brigitte Reimanns Roman Die Geschwister (1963). In der gerade im Aufbau Verlag erschienenen unzensierten Fassung kann Brigitte Reimanns wichtigstes Buch in neuem Licht betrachtet werden. Im Literaturhaus sprechen Clemens Meyer und Herausgeberin Angela Drescher mit Uli Hufen über Visionen und Träume der Schreibenden von damals – und über das, was bleibt.

… wer hatte die Wahl in diesen Zeiten, und welche Wahl hattest du? Ich weiß so wenig darüber, bin zu jung, bin ein Nachgeborener, der verstehen will, weil er die Zerrissenheit spüren und lesen kann, die ihr mit euch herumgetragen habt. Ihr habt eine Sprache und eine Form gesucht, die neu sein kann und das Neue besingt und dennoch der Kunst, der Literatur verpflichtet ist, der Zerrissenheit, der Endlichkeit, der Hoffnung. Ein sozialistischer Realismus konnte doch nur in Teilen gelingen.

In seinem Büchlein über Christa Wolf beschwört Clemens Meyer die Erinnerung an die große Autorin der DDR, an ihre Bücher, Vorlesungen und Reden, indem er mit ihrer Büste, die auf dem Fensterbrett seines Arbeitszimmers steht, zu sprechen beginnt. Mäandernd und suchend nähert sich Clemens Meyer Christa Wolfs Werk, ihrer Kraft, ihrer Welt. Doch er holt noch viel weiter aus: Mit großem Enthusiasmus führt er seine Leserinnen und Leser durch die Geschichte der DDR-Literatur, erzählt von den Visionen und Träumen der Schriftstellerinnen und Schriftsteller, spürt deren Zerrissenheit nach. Das Zum-Leben-Erwecken einer Literatur, die bis heute an Kraft nicht verloren hat.
Ein Glücksfund bei Bauarbeiten in Hoyerswerda weckt auch Brigitte Reimanns Roman Die Geschwister zu neuem Leben: Unter einer Treppe, in einem Verschlag für Besen und Schneeschieber, fanden Bauarbeiter ein DIN-A5-Heft mit Teilen ihrer handschriftlichen Urfassung. Unter der Herausgabe von Angela Drescher und Nele Holdack wird es damit möglich, die handschriftliche Originalniederschrift mit der ersten Druckfassung zu vergleichen und einen Einblick in das Druckgenehmigungsverfahren beim Ministerium für Kultur in der DDR zu bekommen: Streichungen, Glättungen, Ergänzungen führen nach aufwändigem Genehmigungsprozess 1963 zur Erstausgabe, über die Brigitte Reimann fünf Jahre später schrieb: Finde schrecklich, was ich da früher geschrieben habe, sprachlich und politisch. Ich war ein gutgläubiger Narr. Die autofiktionale Geschichte der jungen Malerin Elisabeth, die erfährt, dass auch ihr über alles geliebter zweiter Bruder in den Westen gehen will, weil er in der DDR keine Zukunft sieht, macht die Tragödie der gerade vollzogenen deutschen Teilung aufs Schmerzlichste erfahrbar und zeigt, was Diktatur und Willkür für seine Menschen bedeutete.

Veranstaltungspartner: Aufbau Verlag, Kiepenheuer & Witsch

Diese Veranstaltung wird auch als Livestream übertragen. Den Link dafür finden Sie hier.

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