Eva Viežnaviec: Was suchst du, Wolf?

Ryna ist auf dem Weg von Darmstadt in ihr belarussisches Heimatdorf. Dort ist ihre Großmutter gestorben, bei der sie aufgewachsen ist, von der sie die Geschichten des Dorfes kennt. Eva Viežnaviec lässt in Was suchst du, Wolf? (Zsolnay) ein vergessenes Belarus auferstehen und das ganze 20. Jahrhundert mit all seinen Grausamkeiten vorbeiziehen.

Sie setzt einer ganzen Generation von Frauen ein Denkmal, denen, die daran geglaubt haben, dass das Leben weitergehen wird, selbst auf verbrannter Erde. Den Abend moderiert Felix Ackermann, das Gespräch übersetzt Margarita Höckner. Aus der deutschen Übersetzung von Tina Wünschmann liest Christiane Nothofer.

Das menschliche Gesicht wird von 34 Muskeln gesteuert. Vielleicht möchten die hiesigen Menschen diese Muskeln nicht bei jeder Miene, jedem Lächeln beanspruchen. […] In einer Kultur des Überlebens muss die Mimik minimalistisch sein.

Dass der Mensch dem Menschen im letzten Jahrhundert ein Wolf war, zeigt sich in Eva Viežnaviecs erstem ins Deutsche übersetzten Roman schnell – nach den Soldaten des Zaren und Stalins Schergen wütete nach 1941 die Wehrmacht in Belarus. Auch von Partisanenkämpfen blieb die Bevölkerung nicht verschont. Eva Viežnaviec erzählt die Geschichte von Belarus als eine Alltagsgeschichte, in der sich Pogrome, Vergewaltigungen, Folter und Kriege einen Schlagabtausch liefern, im Zentrum oft die Frauen. Dabei erschließt sich die Rahmenhandlung als logische Konsequenz eines gewaltvollen Erbes: So muss die Alkoholsucht von Ryna, wegen der sie ihren Job als Altenpflegerin verloren hat, nicht erklärt werden – so offenkundig tun sich die Gründe für eine Flucht vor dem eigenen Dasein schon nach wenigen Seiten auf. Eindrucksvoll zeigt Eva Viežnaviec, wie tief die generationenübergreifenden Krater sind, die der Krieg in den Seelen von Menschen hinterlässt.
Ihr Erzählen ist dabei auch Element der Rebellion, ihr Roman wird als Kampfansage gegen die populäre Geschichtsschreibung von Alexander Lukaschenkos Belarus verstanden. Die Autorin lebt derzeit im Exil in Polen. »Nicht zuletzt ist dieses Buch eine Hommage an die Frauen von Belarus, die ein Beispiel dafür sind, wie man weiterlebt, trotz allem, auch auf verbrannter Erde« (Deutschlandfunk).

Ein Abend im Rahmen der Reihe »Souvenir«.

Die Reihe »Souvenir« ist ein Projekt des Literaturhaus Stuttgart in Kooperation mit dem Netzwerk der Literaturhäuser und der Projektgruppe für Mittel-, Ost- und Südosteuropa der Bundeszentrale für politische Bildung und mit freundlicher Unterstützung der Ernst Klett AG.

Veranstaltungspartner: Lew Kopelew Forum e.V., Bundeszentrale für politische Bildung, S. Fischer Stiftung, Netzwerk der Literaturhäuser, Zsolnay Verlag

Diese Veranstaltung wird auch als kostenloser Livestream übertragen. Den Link dafür finden Sie hier.

Die Veranstaltung wird unterstützt von:

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