Türschwellenkinder: Über die Arbeit der Eltern
Welchen Einfluss hat die Arbeit der Eltern auf das eigene Leben?
Wie hat uns die An- oder Abwesenheit der Eltern geprägt, wie unsere Kindheit, wie die eigene Berufswahl beeinflusst? Anlässlich des Tags der Arbeit stellt Moderator Wolfgang Schiffer im Gespräch mit Nadire Biskin, Martin Becker und Beate Tröger den Band Türschwellenkinder (ELIF Verlag) vor. 26 Geschichten von kulturschaffenden Menschen erzählen von der Arbeit der Eltern, von Freiheit und Zwang, Nachahmung und Distanz, Kunst und Brotarbeit.
Sie haben gearbeitet, um noch mehr zu arbeiten – und immerfort davon zu sprechen, wie sie irgendwann, warte nur, irgendwann das große Los ziehen. Ihre Träume in Dauerschleife, ihr ewiges »und dann«.
Martin Becker
Der Blick auf die Arbeit der Eltern ist ein Blick zurück, aber auch ein Blick nach innen, auf das eigene Leben. Wie sind wir so geworden, wie wir sind? Die Autorin Nadire Biskin, der Autor Martin Becker und die Kritikerin Beate Tröger lesen im Literaturhaus aus ihren Texten, erzählen von zu Hause, aus der Kindheit, über die Arbeit der Eltern.
Nadire Biskin beschreibt das Glück, endlich Schlüsselkind zu sein. Der Schlüssel, den sie stolz wie eine Medaille der Bundesjugendspiele trägt, macht aus dem Kind arbeitsloser türkischer Eltern ein Arbeiterkind in Berlin-Wedding. Trotzdem reicht die Festanstellung der Mutter als Putzfrau zum Leben nicht aus. Die Mutter, die sich vergaß, aber ihre Arbeit nie vergaß, warnt die Tochter: Würde sie in der Schule nicht lesen und lernen, müsse auch sie irgendwann den Dreck anderer Leute wegmachen.
Martin Becker erzählt von Arbeit ohne Erlösung, vom malochenden Vater, Berg- und Metallarbeiter, der zum Überleben seinen Schnaps hatte, dem nach dreißig Jahren Betriebszugehörigkeit aber nur ein kaputtes Knie blieb, die Pflege der Mutter, der Krebs. Ich habe von Anfang an gewusst, wie sehr dieses Malochervehikel auf Verschleiß fährt.
Beate Tröger dagegen ist wütend: Mein Vater brachte das Geld nach Hause. Sie waltete drinnen. Phantasievoll, aber in totaler Abhängigkeit. Die Mutter, die nie eine Lehre gemacht hatte, aber alles konnte: Schneidern, Zeichnen, Kochen, Gärtnern, Singen. Zufrieden und immer mit der Bereitschaft zum Verzicht – zu ihren Ungunsten, zugunsten anderer – stellte sie sich bedingungslos in den Dienst der Familie: ein Hausfrauendasein, ohne die eigenen Bedürfnisse zu hinterfragen.
Im Gespräch mit Moderator Wolfgang Schiffer treffen wir auf Lebensentwürfe, wie sie waren, hätten sein können, immer noch sind.
Veranstaltungspartner: Fritz-Hüser-Institut für Literatur und Kultur der Arbeitswelt, ELIF Verlag
Die Veranstaltung wird auch als Livestream übertragen. Den Link dafür finden Sie demnächst hier.
