Ulrike Draesner & Andreas Kossert: Flucht, Vertreibung, Heimat
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Ulrike Draesners Roman Die Verwandelten (Penguin) erzählt von Frauenschicksalen in Polen und Deutschland, verbunden über familiäre Verflechtungen und Gewalterfahrungen während des Zweiten Weltkriegs und der Nachkriegszeit, mit bis heute spürbaren Folgen.
Andreas Kossert, Historiker und Experte für die Geschichte Ostmitteleuropas, stellt in seinem Buch Flucht. Eine Menschheitsgeschichte (Siedler) die Fluchtbewegungen des frühen 21. Jahrhunderts in einen großen geschichtlichen Zusammenhang. Über das Erleben von Flucht und Vertreibung sowie die existenzielle, mehr denn je aktuelle Frage nach einem Zuhause sprechen beide mit Ulrich Noller.
Wenn jemand spricht, wird es hell.
Ulrike Draesner
Eine nationalsozialistische Vorzeigemutter, die anderen beibringt, wie Kinder zu erziehen sind, doch über das Wichtigste, was sie verloren hat, niemals spricht. Eine Köchin, die lieber Frauen geliebt hätte als den Dienstherrn, unterwegs durch das zerstörte Deutschland im Sommer 1945. Ein Mädchen in München Solln, geboren in einem Lebensbornheim der SS. Eine alleinerziehende Anwältin von heute, die nach dem Tod ihrer Mutter unverhofft eine Wohnung in Wrocław erbt – und einen polnischen Zweig der Familie entdeckt.
Ulrike Draesners aktuelles Buch erzählt in kraftvoller Sprache das Leben von Frauen, die durch Krieg und Nachkrieg gebrandmarkt sind, Gewalt, Flucht und Vertreibung erlebt haben. »Schweigen hören« nennt sie im Nachwort ihr poetisches Verfahren: den Frauen ihre Stimme zurückgeben, weibliche Identität formen im großen Fluss der Geschichte. Wie auch schon in ihren Vorgängerromanen Sieben Sprünge vom Rand der Welt (2014) und Schwitters (2020) thematisiert Die Verwandelten, welche intergenerationellen Traumata die europäische Geschichte des 20. Jahrhunderts bis heute hervorbringt.
Flüchtlinge als Akteure der Weltgeschichte. Andreas Kossert zeigt in Flucht. Eine Menschheitsgeschichte, welche existenziellen Erfahrungen von Entwurzelung und Anfeindung mit dem Verlust der Heimat einhergehen. Immer nah an den Einzelschicksalen und auf bewegende Weise untersucht er in seinem vielfach ausgezeichneten Sachbuch, warum es für Flüchtlinge und Vertriebene zu allen Zeiten so schwer ist, in der Fremde neue Wurzeln zu schlagen. »Flucht ist eine Zäsur, die Aufkündigung einer ungeschriebenen und über Generationen gültigen Übereinkunft mit den Vorfahren. […] Ihr Heimatverlust bedeutet eine existentielle Erfahrung, ein radikaler Bruch in ihren Lebensgeschichten, die sich in Davor und Danach teilt«, so Kossert.
Auf der Bühne des Literaturhauses bringen Ulrike Draesner und Andreas Kossert Erfahrungen durch Flucht und Vertreibung zur Sprache.